Ansiedlung von Mauerbienen - Ertragsförderung und Qualitätssicherung durch optimale Bestäubung

Vortrag anlässlich des 28. Bundeskernobstseminars vom 12. - 14.02.2008 in Oppenheim

Dr. Mike Herrmann, Batibo Konstanz

Seit vielen Jahren geht die Anzahl an Honigbienenvölkern bei uns jährlich zweistellig zurück. Dies hat
verschiedene Ursachen und kann bei landwirtschaftlichen Kulturen zu Engpässen führen, zumal
auch wild vorkommende Bestäuber in der intensiv genutzten Agrarlandschaft nicht mehr häufig sind.
Entsprechend wird die Suche nach alternativen Bestäubern auch in Mitteleuropa verstärkt. Neben den
Hummeln haben hier solitär lebende Wildbienen das größte Potential. Für den Obstbau sind die
im Erdboden nistenden Sandbienen (Andrena spec.) und Schmalbienen (Lasioglossum spec.), und
vor allem die oberirdisch nistenden Mauerbienen (Osmia spec.) von Bedeutung.


Warum Mauerbienen ?
Aufgrund ihrer Nistökologie und ihrer Lebensweise sind die Handhabung und der gezielte

Einsatz von Mauerbienen als gemanagter Bestäuber unkompliziert und die Arten lassen sich mittels

Nisthilfen gut ansiedeln und vermehren. So werden Mauerbienen in Nordamerika, Japan und Südeuropa

schon seit Jahrzehnten erfolgreich als Hauptbestäuber in Obstplantagen eingesetzt. Lange lag

der Schwerpunkt bei den frühblühenden Freiland-Kulturen. Mit dem Rückgang der Honigbienen

werden Mauerbienen auch vermehrt im Kernobst eingesetzt. In Japan liegt der Anteil an Apfelplantagen,

die von Mauerbienen bestäubt werden inzwischen bei über 70%. Der erfolgreiche Einsatz begründet

sich auf verschiedene Eigenschaften:

- Mauerbienen sind sehr effektive Bestäuber in Obstanlagen.

- Sie sammeln gerne auf Obstbäumen und wechseln nicht zu anderen Massentrachten wie Raps oder

Löwenzahn.

- Die Weibchen sind sehr ortstreu. Sie sammeln im Umkreis von 50 bis 300 m um ihr Nest herum.

- Als Frühjahrsarten sind auch bei ungünstiger Witterung aktiv; die Gehörnte Mauerbiene fliegt bei

Sonnenschein bereits ab 3°C sowie im Nieselregen und bei stärkerem Wind.

- Sie haben ein kurzes, jahreszeitlich arttypisches Auftreten von 4 bis 6 Wochen.

- Bewirtschaftungsmaßnahmen außerhalb ihrer Flugzeit, abgesehen von bienengefährlichen

Mitteln vor der Blüte, beeinträchtigen sie kaum.

- Durch die Lagerung im Kühlraum können die Mauerbienen fast taggenau zu Beginn der Obstblüte

und in gewünschter Anzahl zum Schlupf gebracht werden.

- Sie nehmen gerne vorbereitete Nisthilfen an und können sehr große Nistkolonien bilden.

- Es sind einheimische, in Deutschland weit verbreitete Arten, die regelmäßig in der Nähe des

Menschen vorkommen und absolut friedfertige Tiere, deren lokale Ausbreitung somit keine Probleme

bereitet.

Welche Arten sind geeignet
In Mitteleuropa kommen primär zwei Mauerbienen-Arten für den gemanagten Einsatz als Bestäuber in
Betracht: Dies sind die früh fliegende Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) und die Rote Mauerbiene
(O. rufa = bicornis). Diese nah verwandten Arten haben eine ähnliche Ökologie, wobei die Gehörnte
Mauerbiene in bezug auf den Nistplatz etwas anspruchsvoller ist und bei uns ab Mitte März, etwa
4 Wochen früher als die Schwesterart fliegt. Als sehr früh fliegende Art ist die Gehörnte Mauerbiene
ein guter Bestäuber für Steinobst und Erdbeeren. Sie fliegt je nach Schlupfdatum noch bis in die Blüte von
Birne und Apfel hinein. Für Mandeln wird sie inzwischen in vielen Ländern als Hauptbestäuber eingesetzt
und wurde zu diesem Zweck auch nach Kalifornien eingeführt. Die Rote Mauerbiene hat ihre Hauptflugzeit
um die Kernobstblüte und kann hier als alleiniger Bestäuber wirken.

Abb. 1: Die Rote Mauerbiene auf einer Apfelblüte.

Mengenbedarf

Je nach Literatur wird ein Bedarf von 300 - 1000 Mauerbienen-Weibchen pro Hektar Obstplantage berechnet
und eingesetzt. Dies betrifft große Intensivanlagen, wo die Mauerbienen die alleinigen Bestäuber sind. In
Mitteleuropa, wo die Landschaft nicht so ausgeräumt ist und noch einige wild lebende Bestäuber-Insekten
vorkommen, kann man sich an den unteren Werten orientieren. Eingebrachte Starterpopulationen brauchen
nur einen Teil der Zielmenge betragen. Die Mauerbienen legen in den Nisthilfen ihre Brutzellen an, aus
denen im kommenden Frühling die Nachkommen ausschlüpfen. Unter normalen Bedingungen gibt es
eine Vermehrungsrate von 2-3 pro Jahr, so dass man in Kürze einen größeren Mauerbienenbestand in
der Anlage haben kann.

Bestäubungsleistung
Ist die Witterung günstig und sind Honigbienen vorhanden, so sichern diese aufgrund ihrer
großen Anzahl optimal die Bestäubung. Wenn dies nicht gegeben ist, müssen andere Bestäuber zum
Zuge kommen. Neben natürlichen Bestäubern (Mücken, Fliegen, Käfer Wildbienen u.a.) können
auch Hummeln und Mauerbienen gezielt eingesetzt werden. Das Leistungsvermögen von Mauerbienen
wurde in verschiedenen Untersuchungen denen der Honigbienen gegenüber gestellt. Hierbei zeigte sich,
dass eine Mauerbiene dieselbe Bestäubungsleistung erbringt wie 80 Honigbienen. In Tabelle 1 sind
wesentliche Eigenschaften der gemanagten Bestäuber gegenüber gestellt.

HonigbieneHummelMauerbiene
JahreszeitganzjährigFrühling und SommerFrühling (4 - 6 Wochen)
Anzahl pro ha1 - 3 Völker?ca. 600 Weibchen
Sammelradius1 - 4 km1 - 5 km50 - 300 m
Mindesttemperatur Flug (Sonne)8°C2 - 3°C3°C
Pollentransportfeucht als Ballenfeucht als Ballentrocken pulvrig
Anteil Blütenbesuch an Gesamtlebenszeitniedrigmittelhoch
Bestäubungsrate pro Blütenbesuchmittel bis geringhochhoch
Vorteilerasch in sehr großer Zahl verfügbar, keine Eigenarbeiteignet sich gut für den geschützten Anbausehr ortstreu, fliegt auch bei ungünstiger Witterung


Nachteile
Anfangs gibt es einen einmaligen Aufwand für die Anlage von zusagenden Nistplätzen und genug
Nisthilfen (ca. 1,5 Niströhren pro Weibchen). Wichtig ist hier die Schaffung eines günstigen
Kleinklimas am Nistplatz, vor allem für die Gehörnte Mauerbiene.
An größeren Nistkolonien stellen sich rasch verschiedene Mauerbienen-Parasitoide ein, die
ohne Kontrolle die Populationen zusammenbrechen lassen können (Abb. 2). Für dauerhaft
große Vorkommen, vor allem von der Roten Mauerbiene, muss man eine effektive
Kontrolle der Parasiten betreiben oder gelegentlich neue Starterpopulationen einsetzen.

Abb. 2: Zwei mögliche Entwicklungen von Mauerbienen-Populationen, die nach einem anfänglichen

Aufschwung durch das unkontrollierte Auftreten von Parasitoiden zusammenbrechen.


Anwendungsgebiete
Langjährig erfolgreich betrieben ist der Einsatz in ungeschützten Kulturen. Hier können Mauerbienen
in jeder Obstkultur das Fehlen von Honigbienen voll ausgleichen. Im Steinobst gewährleistet eine
Präsenz der früh fliegenden Gehörnten Mauerbiene eine Bestäubung selbst wenn die Blüte in eine
Schlechtwetterphase gerät. Auch im geschützten Freilandanbau unter Folienüberdachung lassen
sich Mauerbienen prinzipiell gut einsetzen. Hierzu liegen aber erst wenige Untersuchungen vor. Ein
Einsatz von Mauerbienen in Gewächshäusern oder in geschlossenen Tunneln ist in der Regel
nicht erfolgreich, da diese regelmäßig gelüftet werden und die Tiere meist noch vor der Festlegung
auf ein Nest entweichen. In Anlagen mit geschützten Lüftungen, z.B. Vermehrungsbetrieben,
hat sich der Einsatz von Mauerbienen sehr bewährt.


Praktisches Vorgehen

1. Vor Beginn der Flugzeit müssen geeignete Nistmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, damit

die Mauerbienen Nester anlegen können, in die sie den Pollen zur Versorgung ihrer Nachkommen

eintragen. Fehlen die Nistmöglichkeiten, so wandern die Tiere auf der Suche danach ab. Es gibt

verschiedene Arten von Nisthilfen und mehrere Möglichkeiten zu ihrer Anlage. Attraktive Nisthilfen sind

Bohrungen in Holzblöcken und gebündelte Halme, die an einem sonnigen, regen- und

windgeschützten Platz angebracht werden. Genaue Anleitungen zum Bau von Nisthilfen gibt es

in verschiedenen Zeitschriften und Info-Blättern.

2. Will man größere Populationen aufbauen, so muss es bereits vor der Obstblüte ein Blütenangebot

geben, damit zuvor geschlüpfte Bienen nicht aus Nahrungsmangel abwandern. Hierzu sollte das Grün

bis zur Obstblüte teilweise ungemäht bleiben. Zudem können attraktive Frühblüher angepflanzt

werden wie Salweiden oder Traubenhyazinthen. Auch verbreitete Wildkräuter wie Taubnessel, Günsel

und Gundermann werden gerne aufgesucht und sollten bei der Bearbeitung geschont werden.

3. In Niederstamm-Anlagen sind Mangels Nistmöglichkeiten meist keine Mauerbienen vorhanden.

Entsprechend müssen Tiere aus der Umgebung einwandern oder man besetzt die Obstanlagen

mit einer Starterpopulation. Hierzu können Nisthilfen im Siedlungsbereich, wo Mauerbienen dank der

blütenreichen Gärten meist zahlreich vertreten sind und rasch angebotene Nisthilfen annehmen, an

südostexponierten Haus- oder Schuppenwänden aufgehängt werden. Die besiedelten Nisthilfen

können im folgenden Winter abgenommen und in die Obstanlage verbracht werden. Daneben

besteht die Möglichkeit Mauerbienen-Starterpopulationen aus Vermehrungsbetrieben zu erwerben,

wobei diese nur deutlich vor der Obstblüte im Winterhalbjahr bezogen werden können.


Anwendungsmöglichkeiten
Es gibt drei verschiedene Möglichkeiten zur Nutzung der Mauerbienen, die nicht scharf von einander

getrennt sind und je nach Kultur und Verhältnissen vor Ort angepasst werden können.

1. Als Hauptbestäuber bei jeder Witterung mit einem alljährlich hohen Bestand: Komplettaustauch

der Nisthilfen und neue Starterpopulationen alle 2-5 Jahre.

2. Als wesentlicher Bestäuber in Schlechtwetterphasen, ansonsten wichtiger Bestäuber mit einem

alljährlich mittleren Bestand: Aufbau einer bodenständigen Population mit intensiver

Parasitenkontrolle und sukzessivem Austausch der Nisthilfen.

3. Als Nebenbestäuber mit alljährlich niedrigem Bestand zur Ergänzung und als

Basissicherung der Bestäubung bei Schlechtwetter: Aufbau einer bodenständigen

Population mit geringem Pflegeaufwand. Einzelne Nisthilfen werden zerstreut angebracht.

Anschrift des Autors: Dr. Mike Herrmann, WAB-Mauerbienenzucht,

Sonnentauweg 47, D-78467 Konstanz, email: Info@Mauerbienen.com


10 Herrmann.pdf

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