Qualitätsbonitur - Von der Theorie zur Praxis

Gerd Götz, DLR - Rheinpfalz Neustadt, Abteilung Weinbau und Oenologie

Besonders der fäulnisbelastete und schwierige Jahrgang 2000 führte vielen Erzeugergemeinschaften vor Augen, dass die bisherigen Qualitätskriterien (Rebsorte und Öchslegrade) nicht ausreichen, um die Traubengeldauszahlung marktgerecht zu gestalten. Die Auszahlungsleistung sollte den Markterfolg des Weines wiederspiegeln und vom Winzer geleistete Qualitätsbemühungen zumindest teilweise finanziell honorieren. Oftmals konnten auch gar nicht die Qualitäten erzeugt werden, welche für eine erfolgreiche Vermarktung dringend benötigt worden wären.
So hat z. B. ein Erzeuger, der mit Botrytis belastetes Lesegut anlieferte, das häufig noch mit Essigstich und Sekundärpilzen wie Penicillium infiziert war, bei einer Auszahlung, die allein auf dem Mostgewicht als Qualitätskriterium beruht, in der Regel eine höhere Auszahlung erzielt als ein Winzer, der weinbauliche Maßnahmen zur Botrytisbekämpfung durchführte. Wie dieses Praxisbeispiel zeigt, spiegelt die Auszahlungsleistung mit Sicherheit nicht den Markterfolg des jeweils erzeugten Weines wieder. Weder werden die aufwändigeren Sonderbehandlungen im Weinberg honoriert, dazu zählt etwa eine Teilentblätterung der Traubenzone, der Einsatz von Spezialbotrytiziden und eine gute Sauerwurmbekämpfung sowie eventuell eine selektive Lese. Noch werden die Mehrkosten beim Weinausbau erfasst, die durch zusätzliche Klärungen und Schönungen des mit Fäulnis belasteten Leseguts entstehen.
Eine weitere Schwachstelle, die herkömmliche Auszahlungssysteme unberücksichtigt lassen, stellen vor allem Moste aus extrem schwachwüchsigen Weißweinanlagen dar. Die Trauben aus trockengestressten Anlagen mit nicht angepasster Bodenpflege oder einem zu hohen Begrünungsanteil weisen zwar in der Regel einen augenfällig guten Gesundheitszustand auf, liegen oft sogar überdurchschnittlich hoch im Mostgewicht. Die daraus bereiteten Weine lassen jedoch häufig Gärstörungen wie Böckser und einen unzureichenden Endvergärungsgrad erkennen. Sie wirken leer und ausgezogen, es fehlt an Extrakt und Fülle. Kaum im Verkauf, zeigen sie schon fehlerhafte Aromakomponenten, die so genannte Untypische Alterungsnote (UTA), auf. Das Alterungsvermögen in der Flasche ist gering; diese Weine werden vom Kunden abgelehnt.
Umgekehrt werden weitestgehend gesunde Trauben mit einer hohen physiologischen Reife aus ertragsreduzierten Anlagen, die einen ausgeprägten Beerengeschmack aufweisen, mit den gängigen Auszahlungssystemen oftmals nicht entsprechend gut genug gewertet.


Qualitätsbonitur – die Lösung?
Konfrontiert mit diesen Problemen, suchten verschiedene Erzeugergemeinschaften in enger Kooperation mit der SLFA Neustadt nach neuen Wegen bei der Qualitätsbewertung. Die Bemühungen fruchteten im Modell einer Qualitätsbonitur und fanden erstmalig 2001 in zwei Pilotprojekten (Winzergenossenschaft Neustadt-Königsbach und Erzeugergemeinschaft St. Paul in Bad Bergzabern) Anwendung.
Die Qualitätsbonitur nimmt eine umfassende Bewertung des Weinbergs etwa 3 bis 4 Wochen vor der Lese vor. Dabei werden qualitätsbeeinflussende Merkmale erfasst und dokumentiert. Besonderes Gewicht wird dabei auf den Krankheitsbefall der Trauben und des Laubes, das richtige Maß an Wüchsigkeit des Bestandes, Mangelerscheinungen und Stresssymptome gelegt. Qualitätsfördernde Zusatzarbeiten wie durchgeführte Ausdünnungs- und Entblätterungsmaßnahmen sowie hohe und gut assimilationsfähige Laubwände ohne Verdichtungszonen und ohne Kurztriebe werden positiv berücksichtigt. In fäulnisbelasteten Jahrgängen sollte eine 2. Bonitur am Tag der Lese erfolgen, die allein den Gesundheitszustand des Erntegutes erfasst. Diese Lesegutbonitur kann bei Handlese auch im Kelterhaus stattfinden.

Wie wird bewertet?
Als Bewertungsgrundlage dient ein Boniturschema oder Boniturblatt. Die Bewertung erfolgt durch Messung oder augenscheinliche Kontrolle. Von der Boniturkommission wird jedem Parameter eine bestimmte Anzahl von Boniturpunkten zugeteilt, die in die jeweilige Spalte einzutragen sind. Die Vergabe von Zwischenpunkten ist grundsätzlich möglich und erwünscht. Werden definierte Mindestanforderungen bezüglich des Krankheitsbefalls der Trauben und des Laubes, des Ertragsniveaus oder Mangelerscheinungen nicht erfüllt, so führt das zu Abschlägen in Form von Negativpunkten. Die bei den einzelnen Kriterien jeweils erreichten Boniturpunkte werden aufaddiert und ergeben die Gesamtsumme. Damit das Boniturergebnis auszahlungsrelevant berücksichtigt werden kann, muss in der Regel eine bestimmte Anzahl von Mindestpunkten erreicht worden sein.

Wie findet die Bonitur in der Auszahlung Berücksichtigung?
Neben den herkömmlichen Qualitätsparametern, den Faktoren Mostgewicht und Rebsorte, stellt das Ergebnis der Qualitätsbonitur quasi eine 3. Säule in der Preisfindung dar. Dafür ist jedoch eine parzellenscharfe Anlieferung notwendig. Weiter dient die Qualitätsbonitur als Planungsgrundlage bei der Leseeinteilung, so dass stärker mit Botrytis belastete Partien getrennt gelesen und verarbeitet werden können. Sie ermöglicht eine Bestandsaufnahme der Weinberge vor der Lese und gewährleistet Traubenabnehmern eine bessere Planungssicherheit, welche zu erwartenden Qualitäten in welchen Mengen angeliefert werden. Sie stellt ein Kontrollsystem dar, um Weinberge, die das festgelegte Mindestniveau nicht erfüllen, zu registrieren. Dies gilt in erster Linie für Pilzbefall oder Trockenschäden. Eine selektive Lese kann dann zwingend angeordnet werden.

Ausblick
Im Gegensatz zu den herkömmlichen Qualitätsparametern greift die Qualitätsbonitur schon vor Anlieferung der Trauben wertend in die Produktionskette ein, begleitet und kontrolliert den Mitgliedswinzer und trägt wesentlich dazu bei, dass die für die Vermarktung benötigten Qualitäten in den jeweils vermarktbaren Mengen erzeugt werden.
Im Weinbau sind optimierte Betriebsabläufe, Qualitätsmanagement und Produkthaftung oftmals noch Fremdwörter. Die Qualitätsbonitur nimmt aber, was den zeitlichen und finanziellen Aufwand angeht, im Vergleich zum Arbeitsaufwand und den Kosten, die zur Pflege eines Weinberges notwendig sind, sicherlich nur einen marginalen Anteil ein. Der daraus abgeleitete Nutzen ist erheblich höher einzustufen.
Im positiven Sinne kann das “Wir-Gefühl” der Mitgliedswinzer gestärkt werden und zum wirtschaftlichen Erfolg beitragen. Dazu bedarf es aber zumeist einer ordentlichen Portion an gegenseitiger Überzeugungsarbeit und der Einsicht, dass Kontrolle auch als Ansporn betrachtet werden kann.

Weitere Fragen? Gerd Götz, Tel. 0 63 21/6 71-226, mailto:gerd.goetz@dlr.rlp.de


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